Gefühle sind ein eher naja…gefühlsduseliges Thema. Ganze Bücher beschäftigen sich damit, wie man wieder Zugang zu seinen Gefühlen findet und dadurch endlich wieder ein vollwertiger Mensch wird. Als wäre es irgendwie krank, eine gewisse Distanz zu seinen Gefühlen zu haben.
Weil unsere Gefühle aus unserem Inneren hervorquellen wie eine göttliche Erleuchtung – so fühlt es sich zumindest an – behandeln wir sie genau so: mit höchster Aufmerksamkeit und ohne sie jemals zu hinterfragen.
Unsere Innenwelt, wo die Gefühle entstehen, ist uns sowieso etwas suspekt. Wer weiß schon, was da vor sich geht? Wir sind dankbar, wenn ein klar zu entschlüsselndes Signal an die Oberfläche steigt und wir wissen: Aha, Wut! Dann muss mir aber einer ziemlich übel mitgespielt haben!
Meistens haben wir keine Ahnung, was wirklich vor sich geht.
Wie Gefühle entstehen
Dazu ein kurzer Ausflug ins Gehirn. Es besteht aus drei Teilen: dem Stammhirn, dem Mittelhirn und dem Cortex. Im Mittelhirn, auch limbisches System genannt, dreht sich alles um Bilder und Emotionen. Der Intellekt, unser Tagesbewusstsein, hat hier keinen Zugang.
Auch wenn wir glauben, dass wir alles mit unserem Verstand unter Kontrolle haben, ist doch unser „Emotions-Gehirn“ der Chef im Ring. Mit dem Intellekt, dem Cortex, versuchen wir uns im Nachhinein die Dinge zu erklären.
Es geht alles blitzschnell. Ohne dass wir es bewusst mitkriegen, schätzt das Mittelhirn die Situation basierend auf dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis ein: Kenne ich das? Was ist bisher ähnliches im Leben passiert, wie ging es mir dabei? Kurz bevor das Gefühl entsteht, erfolgt also eine Bewertung. Nur einen Bruchteil einer Sekunde später wird das passende Gefühl „ausgespukt“.
Situation: Dein Freund vergisst einzukaufen.
Deine Bewertung: Ich bin ihm egal.
Mögliche Gefühle: Wut, Enttäuschung, Trauer
Situation: Dein Freund vergisst einzukaufen.
Deine Bewertung: Oh je, es wächst ihm alles über den Kopf.
Mögliche Gefühle: Mitgefühl, Zuneigung
Das Dumme ist nur, wir kriegen diesen Ablauf nicht mit. Für uns fühlt es sich so an, als hätte die Situation das Gefühl ausgelöst. So sind wir dem Gefühl ausgeliefert und benutzen es sogar als Beweis dafür, dass wir recht haben: "Ich bin wütend. Also hast du mich schlecht behandelt."
Gefühle sind wie Feuerwerkskörper
Wenn wir den Gefühlen zu viel Aufmerksamkeit schenken und vor allem zu viel Bedeutung beimessen, können wir uns leicht verzetteln. Gefühle sind wie die die Böller an Silvester, sie entzünden sich gegenseitig und machen sehr viel Lärm.
Wenn solche Netzwerke aus Gefühlen und Bewertungen im Gehirn losgehen, hat das nicht immer mit der Realität zu tun. Es läuft dann unsere ganz eigene Show ab, statt WahrNEHMUNG haben wir eine WahrGEBUNG.
Hier können wir ansetzen. Ich empfehle, die Dinge von hinten aufzurollen.
- Nimm das Gefühl war und benenne es: „Aha, da ist Wut.“
- Sage Dir: „Es ist okay, dass es da ist, es ist einfach nur ein Gefühl. Es hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten.“
- Wie habe ich die Situation bewertet, damit Wut entstehen konnte?
- Möchte ich die Situation jetzt anders bewerten?
Stoße die Gefühle von ihrem unantastbaren Thron.
Sie haben uns nicht immer etwas Wichtiges zu sagen.
Manchmal sind sie einfach nur allzu bekannte, sich unbewusst wiederholende Kaskaden in unserem Gehirn. Neuronale Muster, die durch einen Reiz ausgelöst werden.
Ein angenehmer Gedanke für den nächsten Wutanfall! :-)